Von Tieren und Edelsteinen – Funde aus dem Frühmittelalter

Archäologische Funde liefern faszinierende Einblicke in vergangene Zeiten. Ein gutes Beispiel sind zwei Bügelfibeln, die bei Grabungen in Mannheim-Straßenheim gefunden wurden und jetzt neu in unseren Sammlungen sind. Sie sind nicht nur ein Zeugnis beeindruckender Handwerkskunst, sondern belegen, wie im Frühmittelalter verschiedene Gruppen die Kultur und den Alltag in der Rhein-Neckar-Region geprägt haben.

Die Abteilung Archäologische Denkmalpflege und Sammlungen freut sich seit Kurzem über ein neues Konvolut an Exponaten. Es wurde den Reiss-Engelhorn-Museen vom Landesamt für Denkmalpflege zur Verwahrung und wissenschaftlichen Untersuchung übergeben. Die Funde wurden bereits in den 1960er Jahren gemacht. Sie stammen vornehmlich aus dem Bereich eines ehemaligen frühmittelalterlichen Gräberfeldes in Mannheim-Straßenheim, über das bereits umfassend am Haus geforscht wurde. Zwei besonders sehenswerte Exponate werden nachfolgend näher vorgestellt.

„Neue alte Funde“ in den archäologischen Sammlungen

Die Funde stammen aus dem Areal der ehemaligen Sandgrube Kraft im Gewann „Aue“ westlich von Straßenheim, im Nordosten Mannheims. Auf der Fläche befand sich ein frühmittelalterliches Gräberfeld. Anzunehmen ist, dass die Objekte durch Baggeraktivitäten aus ihrem Bestattungskontext gerissen wurden. Wolfgang Kasprzak, der als Fundzeichner für verschiedene Behörden tätig war, hatte sie dort zwischen 1965 und 1970 aufgelesen und teilweise durch Skizzen dokumentiert. In der Folge gelangten sie in Kasprzaks Privatbesitz. Nach seinem Tod 2017 ging seine Sammlung zunächst an das Landesamt für Denkmalpflege. Seit Februar 2024 ergänzt sie den vorhandenen Sammlungsbestand der Reiss-Engelhorn-Museen zu Funden vom Gräberfeld Mannheim-Straßenheim. Sie werden konservatorisch-restauratorisch behandelt und durch die Frühmittelalterexpertin Dr. Ursula Koch wissenschaftlich untersucht. Unter den Neuzugängen befinden sich neben Gefäßen, einem Armring, einigen Perlen aus Bernstein und Glas sowie einem Kamm aus Tierknochen auch zwei sogenannte Bügelfibeln.

Modeschmuck im Frühmittelalter

Bügelfibeln sind typisch für das 5. bis 7. Jahrhundert n. Chr. Ihren Namen erhielten sie aufgrund des nach oben gebogenen Bügels, der die Kopfplatte und die Fußplatte miteinander verbindet. Sie hatten hauptsächlich eine dekorative Funktion. Um die schweren Fibeln am Gewand zu befestigen, bedurfte es kleiner Schlaufen, durch die die auf der Unterseite befindliche Nadel aus Kupferlegierung gesteckt wurde. Die meist paarweise im Bereich der Hüfte steckenden Fibeln trugen ein Ziergehänge mit Amuletten.

Beeindruckende Handwerkskunst

Erhalten sind die beiden neu dazugekommenen Bügelfibeln so gut wie vollständig. Sie sind nahezu identisch gestaltet, was darauf schließen lässt, dass sie vermutlich aus ein und derselben Gussform stammen. Dieser Fakt hat außerdem den Vorteil, dass man auch bei beschädigten Partien auf das ursprüngliche Aussehen schließen kann. Die konservatorische Abtragung von Korrosionsschichten ermöglichte erste Aussagen zur metallischen Zusammensetzung und verwendeten Dekorationstechnik.

Die zwei Fibeln sind aus Silber gefertigt, in den Vertiefungen der Verzierung, die mit einem Kerbschnitt in das Material eingearbeitet wurden, lassen sich bei beiden Fibeln noch Reste einer Vergoldung erkennen. Die fünf Knöpfe – kurze „Stäbe“ mit abgerundeter Spitze –, die kranzförmig an der halbrunden Kopfplatte angebracht sind, weisen je drei Querrillen auf. Die Kopfplatte selbst ist mit spiralförmigen und dreieckigen Ornamenten verziert. Auf dem sonst schmucklosen Bügel verläuft in der Mitte ein schmaler Grat mit abgerundeten Kanten, die rautenförmige Fußplatte ist mit Ornamenten versehen, die in Form eines vierblättrigen Kleeblatts angeordnet sind. Das untere Ende des Fußes – bei einer der beiden Fibeln abgebrochen – ist in Gestalt eines Tierkopfes mit kleinen runden Ohren, schmalen Augen und gekräuselter Schnauze. Die Nase wird durch einen runden Almandin – einen Halbedelstein aus der Familie der Granate – plastisch dargestellt. Almandine finden sich auch jeweils rechts und links an den Ecken der rhombischen Fußplatte, sie sind in runde Zellen eingelassen. Bei der Fibel, deren tierköpfiger Fuß noch erhalten ist, fehlt der rechte Schmuckstein.

Auf der Rückseite der Kopfplatte ist die Spirale aus Kupferlegierung befestigt, die die Nadel in Spannung halten sollte, sodass die Fibel schließlich an Kleidungsstücken befestigt werden konnte, ohne zu verrutschen oder abzufallen. Bei der Fibel mit dem vollständigen Tierkopf ist ein Fragment des Nadelhalters abgebrochen, aber erhalten.

Bügelfibeln der hier beschriebenen Art verbreiteten sich erst im 6. Jahrhundert in der Rhein-Neckar-Region. Fibeln dieses Typs und dieser Größe waren in der Alamannia zuvor unbekannt. Ein Wechsel der Fibelformen hängt auch mit den machtpolitischen und militärischen Geschehnissen in der Zeit zusammen.

Die Franken in der Alamannia

Mit dem Sieg des fränkischen Königs Chlodwig I. (482–511) über den letzten selbstständigen gallo-römischen Machthaber Syagrius im Jahr 486 endete die römische Herrschaft in Gallien. Chlodwig, dem Geschlecht der Merowinger entstammend, sollte sein Reich in den folgenden Jahren durch Siege über die benachbarten Kleinkönigreiche entscheidend ausdehnen, auch über die Grenzen des Rheins hinaus nach Osten. Der Mannheimer Raum gehörte schon nach Chlodwigs Sieg 509 zum Frankenreich.

Die vielen Kriegszüge verursachten eine rege Zuwanderung von Personen aus anderen Regionen: So wurden etwa Sachsen und Thüringer aus dem Osten oder Langobarden von der mittleren Donau als Krieger von den merowingischen Königen angeworben. Diese wurden nun in den eroberten Gebieten angesiedelt, also auch in und um Mannheim.

Die von den Königen initiierte Zuwanderung führte zwangsläufig zu einem Import von fremden Bräuchen sowie traditioneller Kleidung und dazu gehöriger Accessoires – hierfür sind die Bügelfibeln ein gutes Beispiel. Ihr Design wurde im Zentrum des Merowingerreiches zwischen Seine und Marne nach gotischen Vorbildern zu einem fränkischen Typ entwickelt und fand im sich vergrößernden Frankenreich weite Verbreitung. Frauen blieben den modischen Traditionen ihrer Heimat dabei länger treu. So finden sich im Rhein-Neckar-Raum auch Schmuckstücke, die nicht ursprünglich von dort stammen, während Accessoires für Männer, wie Gürtelschnallen oder Waffen, oft die römisch-byzantinischen Vorbilder erkennen lassen.

Die Fibeln aus dem Konvolut Kasprzak sind nicht nur ein Zeugnis ausgeprägter Handwerkskunst im Mittelalter, sondern sie illustrieren auch die Existenz einer heterogen Menschengruppe in der Rhein-Neckar-Region des Frühmittelalters: Nicht nur die ursprünglich hier ansässigen Alamannen, sondern vor allem auch die Franken und andere Gruppen begegneten sich hier, prägten die Kultur und den Lebensalltag.

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Lesetipps

  • Ursula Koch: Mannheim-Feudenheim & Mannheim-Straßenheim. Die frühmittelalterlichen Gräber. Mannheimer Geschichtsblätter. Sonderveröffentlichung 15, Publikationen der Reiss-Engelhorn-Museen 94 (Oppenheim 2021)